Native Olivenöle Extra: Der Charakter

Der grundlegende Unterschied zwischen nativen Olivenölen und Olivenölen besteht darin, dass native Öle naturbelassen sind, allgemein Olivenöl genannte Produkte jedoch nicht. „Nativ“ – oder im Italienischen „vergine“ –  gibt an, dass die Olive und das aus ihr gepresste Öl „unberührt“ sind, d.h. außer mit mechanischen Mitteln, nicht behandelt werden. Fehlt der Zusatz „nativ“, handelt es sich immer um ein raffiniertes Produkt. Ein solches Öl ist lebensmittelphysiologisch zwar unbedenklich, durch die Raffination wurde es jedoch seiner ganzen Natürlichkeit beraubt. Insbesondere betrifft das die wertvollen sekundären Pflanzenstoffe bzw. bioaktiven Begleitstoffe, die den guten Ruf des Olivenöls für eine gesundheitsfördernde Ernährung begründen. Gerade bei  Olivenölen wird viel gepanscht und verfälscht. Ein großer Anteil des Betruges liegt in der Falschdeklaration: Gedämpfte, raffinierte oder mit Raffinaten verschnittene Olivenöle werden als Native Olivenöle Extra ausgewiesen und daher – im Verhältnis zur tatsächlich vorhandenen Qualität – viel zu teuer angeboten.

 

Der Obstbaum und seine Obstfrucht, die „Olive“

Anders als bei Ölen aus Ölsaaten oder Kernen wird Olivenöl nur aus dem Fruchtfleisch der Olive gewonnen, ist damit gleichsam ein Bestandteil ihres Fruchtsaftes. Für Fruchtsäfte ungewöhnlich, besitzt der aus der Olive gepresste Saft einen hohen Anteil an ein- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Anders als im Kern oder Stein, haben diese Fettsäuren keine unmittelbare Funktion für die Vermehrung, sie ernähren weder den Keimling, noch tragen sie anderweitig zu dessen ersten Lebensschritten bei. Für uns Menschen sind sie dagegen segensreich und nützlich, z.B. für feine Salben zur Hautgesundung; sie spendeten früher in Öllämpchen das Licht und heute können sie uns höchste Gaumenfreuden bereiten, wenn es denn gelingt, das Öl als feinen Fruchtsaft und nicht nur als pures Fett zu erzeugen.

Natives Olivenöl Extra wird in seinem Geschmack allein durch die zwei Begriffe Charakter und Aroma beschrieben. Den Aromen widmen wir die nächsten Seiten und der Charakter ist schnell benannt: Man unterscheidet hier nur die beiden Kategorien „bitter“ und „pfeffrig-scharf“. Beide Kategorien drücken eine Qualitätszuordnung aus, weil sie in klarer Weise nur bei gesunden und unversehrten Oliven hervortreten.

 

Bittertöne

Polyphenole sind als Antioxidanten sehr gesund, sie halten unsere  Blutgefäße elastisch. Damit schützen sie diese vor Ablagerungen und beugen so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Ihr Geschmack ist sehr bitter, daher gewöhnungsbedürftig. Kinder mögen so etwas nur selten. Im Zuge der Reifung des Öls bauen sich Polyphenole ab und verringern dadurch mit der Zeit diese Bitternoten. Manche lassen ihr frisches Olivenöl daher gern erst ein Jahr stehen und genießen dann das zweijährige. Vergleichbar ist das mit eingelegten Oliven, auch sie sind erst im zweiten Jahr ärmer an bitteren und scharfen Noten. Wichtiges Qualitätsmerkmal aber bleibt, dass ein junges und frisches Olivenöl der jeweils letzten aktuellen Winterernte Bittertöne aufweisen muss. Sonst handelt es sich um ein altes oder ein durch falsche Behandlung alt gemachtes Olivenöl.

 

Pfeffrig-scharfe Noten

Lassen Sie sich nicht zum Kosten einer rohen Olive verführen, Sie hätten dann von der Schärfe über längere Zeit einen tauben Mundraum. Erst mit der Ölgewinnung durch das Pressen und der anschließenden Reifelagerung von bis zu drei Monaten schwächt sich die Schärfe auf ein bekömmliches Maß pikanter Pfeffrigkeit ab. Die Reifung des Olivenöls stellt chemisch gesehen einen Verseifungsprozess dar. Durch ihn wird das Olivenöl mit zunehmender Reifedauer weicher und gefälliger. Es gilt auch hier wieder die Umkehrung: Wenn sich gar keine pikanten Noten mehr spüren lassen, muss das Olivenöl alt oder aus schlechten Oliven hergestellt sein.

 

Exkurs: Die Zunge

Geschmackspapille ZungeDie Zunge ist dasjenige Organ, das uns das Schmecken ermöglicht. Das Geschmacksvermögen wird auch als Gustatorik oder Sensorik bezeichnet. Angeregt wird unser Geschmackssinn durch chemische Reize von Rezeptoren. Der physiologische Vorgang spielt sich in sogenannten Geschmackspapillen ab, die gleichmäßig über die Oberseite der Zunge verteilt sind. Der junge Mensch verfügt über 2.000 dieser Papillen, die jeweils fünf bis zehn Geschmacksknospen tragen, von denen jede wiederum 40 – 60 Sinneszellen enthält. Mit dem Älterwerden halbiert sich die Zahl der Geschmacksknospen allmählich. Die Geschmacksschulung junger Menschen wäre daher besonders wichtig.

 

Mit der aufwändigen körperlichen Ausstattung für das Schmecken kann der Mensch sechs geschmackliche Grundrichtungen unterscheiden:

süß: ausgelöst durch Kohlehydrate oder Süßstoffe
salzig: ausgelöst durch mineralische Verbindungen, z.B. Speisesalz
sauer: ausgelöst durch niedrige PH-Werte, wie Säuren von Zitrone oder Essig
bitter: ausgelöst durch Bitterstoffe
umami: ausgelöst durch Aminosäuren, wie Fleisch und andere eiweißhaltige Nahrungsmittel, hier auch Glutamat
fett: neuere Untersuchungen ließen einen „CD36-Rezeptor“ identifizieren, der auf Fette reagiert.
Weiterhin wird diskutiert, ob nicht auch „alkalisch, metallisch und wasserartig“ zu den Grundrichtungen zu zählen sind.

Die vielen weiteren Geschmacksnuancen, die wir zu empfinden und benennen vermögen, können wir nur im Zusammenspiel von Geschmacks- und Geruchssinn unterscheiden – wir schmecken sozusagen auch mit der Nase.

 

Hier finden Sie Ihren Charaktertyp – „mild – halbtrocken – trocken“

Regionen EuropaGrundsätzlich ist es beim Olivenöl nicht anders als beim Wein, von Region zu Region wandeln sich die Ausprägungen des Charakters. Wer z.B. keine Tannine im Wein mag, der wird sich schwer mit dem Geschmack französischer Rotweine anfreunden und eher Weine etwa aus dem Trentino mögen. Auch Olivenölfreunde können zwischen den Geschmacksnoten der Öle aus verschiedenen Regionen wählen. In den nördlichen mediterranen Regionen finden Sie „milde“ Olivenöle mit nur dezenten Bitter- und Schärfenoten und in den südlichen Festlandsregionen dann die mit starker Ausprägung, weshalb wir sie hier in Analogie zum Wein als „trocken“ bezeichnen. Die „Halbtrockenen“ stammen überwiegend von den Mittelmeerinseln.

–> Wer es mild mag, wählt bei uns ein Öl aus Nordspanien (Das Olivenöl No.11, Katalonien) und dem nördlichen Griechenland (Das Olivenöl No.23, Korinth).
–> Wer es halbtrocken mag, findet ein Öl von der Insel Kreta (Das Olivenöl No.29).
–> Wer es trocken liebt, wird ein Öl aus Süditalien (Das Olivenöl No.7, Apulien) oder dem süd-westlichen Griechenland (Das Olivenöl No.27, Messinias) bevorzugen.