Ist katalanisches Olivenöl besser als spanisches?

Bei einer solchen Überschrift werden Sie sicherlich zu Recht behaupten, dass der Autor zur Naivität neigt. Doch mit dieser etwas provokanten Überschrift wollen wir auf eine Entwicklung hinweisen, die seit einigen Jahren hier in Katalonien für große Aufmerksamkeit sorgt.
„Catalunya lliure“ (freies Katalonien) – das ist der Slogan, der momentan in allen Straßen, Kneipen und Büros hier in Katalonien zu hören ist. Vor wenigen Tagen, am 11. September, dem Nationalfeiertag der Katalanen, waren 1,5 Millionen Menschen auf der Straße, um friedlich für die Unabhängigkeit der autonomen Region im Nordosten Spaniens zu demonstrieren.

Demonstranten in Barcelona für ein "freies Katalonien"

Demonstranten in Barcelona für ein „freies Katalonien“

Um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens zu verstehen, ist ein Blick in die Geschichte unabdingbar. Vom 10. bis zum 18. Jahrhundert war Katalonien (zum größten Teil zusammen mit Aragonien) eigenständig und eine bedeutende See- und Handelsmacht. Das änderte sich am 11. September 1714 als in der entscheidenden Schlacht in Barcelona, die Bourbonen die Oberhand behielten und Katalonien unter Kontrolle Madrids gelang. Nach dem Wiedererlangen einiger Rechte folgte mit Franco und seiner Diktatur eine fürchterliche Leidenszeit. Die katalanische Sprache und Kultur wurden nicht nur unterdrückt, sondern regelrecht verfolgt. In bester Stasi-Manier hatte das Denunziantentum Hochkonjunktur. Erst mit dem Ableben des Diktators entwickelten die Katalanen wieder ein Nationalbewusstsein, dass Sie in den vergangenen Jahren immer weiter ausbauten.
Heute ist das Katalanische an den Schulen die Sprache Nummer 1, Straßenschilder sind nur noch auf „catalan“, die katalanische Kultur wird gehegt und gepflegt.
Politisch gesehen kam die Forderung nach der Unabhängigkeit über Jahrzehnte aus dem „linken“ Lager, seit gut zwei Jahren befürworten auch die Konservativen die Unabhängigkeitsbestrebungen. Einzig und allein die „sozialdemokratische“ Partei PSC (PSOE in Spanien) ist in großen Teilen gegen die Unabhängigkeit.

Soweit einmal die Gemengelage, doch was hat das Ganze jetzt mit katalanischem Olivenöl zutun? Sehr viel! Denn seit einigen Monaten ist ein größer werdender Teil der Katalanen bestrebt, auch katalanische (und keine spanischen) Produkte zu kaufen und zu konsumieren.
Im Fall des Olivenöls wird es sehr deutlich: Die Werbekampagne eines großer Olivenölproduzent zielt genau darauf ab. In den katalanischen Tageszeitungen wird in großen Anzeigen darauf hingewiesen, dass das ÖL nur aus „besten katalanischen Oliven“ besteht.„Geschmückt“ ist die Werbeseite mit der Unabhängigkeitsfahne Kataloniens.
Ähnliche Entwicklungen bestätigt uns auch arteFakt Partner Jürgen Wagner. Der Önologe der Cooperativa von Capcanes verkauft seinen Wein hauptsächlich im Ausland und in Katalonien. Hingegen sind die Verkaufszahlen im restlichen Spanien dramatisch gesunken. Grund hierfür ist, dass auch die andere, die spanische Seite anfängt nach spanischen und katalanischen Produkten zu selektieren.
Somit nimmt die Bestrebung nach Unabhängigkeit auf beiden Seiten absurde Formen an. Bei vielen Menschen geht es in erster Linie nicht mehr um die Qualität, sondern um die Herkunft der Produkte.

Herzliche Grüße aus Katalonien
Veronica und Ralf

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