Olivenölbetrug, Vogelsterben und das Vorhaben von Aldi

Wendepunkte deuten sich zumeist weitgehend unbemerkt an, auch weil einzelne Ereignisse nicht in ihrem Zusammenhang wahrgenommen und erkannt werden. Drei Ereignisse dieser Bedeutung entnahm ich im letzten Monat den Medien.

Der erneute Olivenölskandal und Millionenbetrug, bei dem modifiziertes Soja- und Sonnenblumenöl lange Zeit unentdeckt als Natives Olivenöl Extra in Italien und Deutschland verkauft wurde.
Stern-online schrieb über ein millionenfaches Sterben von Singvögeln durch die nächtliche Ernte mit Erntemaschinen im industriellen Sektor der Olivenlandwirtschaft.
Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet auf ihrer Unternehmensseite, dass Aldi zum führenden Händler für Bio-Produkte mit einer Führerschaft der Discountpreise werden will …

Zum Olivenölbetrug erhielten wir wenige Zuschriften, sehr viele zum Vogelsterben und gar keine zum Vorhaben von Aldi.

Es gibt nur noch wenige Bereiche in der Ernährungswirtschaft, in denen die Erzeuger selbst über den Preis der Waren entscheiden können. Die Handelsgrossisten geben sie heute als Niedrigstpreise vor und die Erzeuger müssen ihre „wahren“ Kosten entsprechend anpassen. Kleinere Betriebe schaffen dass oft nur durch Selbstausbeutung, und größere durch die Umstellung auf industrielle Landwirtschaft.

Mit der Biobewegung waren wir vor über vierzig Jahren angetreten, nicht mehr gegen, sondern mit der Natur zu leben, was unabdingbar auch mit dem Erhalt einer kleinteiligeren Landwirtschaft und mit fairen Tauschbeziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten verbunden ist. Schon früh gab es kritische Stimmen, dass ein Bio-Boom das Erreichte auch wieder schleifen könnte, wenn die konventionelle Wirtschaft sich dieser Sache bemächtigen würde. In der Werbung für Bio-Produkte stehen immer noch verklärt romantische Bilder im Vordergrund, von glücklichen Kühen und Bauern auf einer blühenden Wiese. Dass Bio auch als industrielle Landwirtschaft betrieben werden kann und wird, das können oder wollen sich viele gar nicht vorstellen. Setzt sich aber der Niedrigstpreis als Maßstab der Produktion auch im Biobereich durch, können auch Bio-Produzenten nicht anders als ihre konventionellen Kollegen darauf reagieren. „Wachse oder weiche“ ist dort seit Jahrzehnten die Maxime, mit all den Umwelt- und Klimafolgen, über die aktuell debattiert wird. Daran lässt sich jetzt auch gut studieren, wie schwer es sowohl für die Einzelnen als auch für das ganze System ist, diesen Weg wieder zu verlassen.

Es wird Wunschdenken bleiben, dass Aldi hier mit einer Preisführerschaft das Durchsetzen von objektiven und fairen Preisen unter Einbeziehung der Umwelt- und Klimaaspekte meinen könnte. Sie stehen ihrerseits im Wettbewerb mit anderen Discountern um die niedrigsten Preise. Wenn sich Bio nicht als konventionell betriebene industrielle Landwirtschaft durchsetzen soll, dann werden das am wirksamsten die Konsumenten mit ihrem Einkaufsverhalten aufhalten können.

Ja, mit einer auf Maschineneinsatz angelegten Olivenölplantage, auf der in langen Reihen die Olivenbäume bis zum Horizont als dicht gepflanzte Hecken stehen, die dann wegen der Kühle bei Nacht mit Stelzentraktoren abgeerntet werden, lässt sich das auch „in Bio machen“. Und natürlich würde ein Olivenöl durch die Ersetzung der menschlichen Arbeit und dem Verzicht auf sorgsame Pflege der Natur zu betriebswirtschaftlich günstigeren Kosten erzeugt werden. Allein, es ist eine Illusion, dass dann bei der Bio-Ernte ein Naturfreund vor den Erntemaschinen herlaufen würde, um die darin schlafenden Singvögel rechtzeitig zu wecken und zu verscheuchen. Es darf also bezweifelt werden, dass der Erfolg einer Markt- und Preisführerschaft der Discounter als Erfolg der Biobewegung zum Schutz unseres Planeten verbucht werden könnte. Die volkswirtschaftlichen Kosten bleiben weiter außen vor, werden ignoriert oder auf Umwegen über höhere Gebühren, Abgaben und Steuern von uns allen getragen.

Die Frage „Was für ein Bio wollen wir?“ ist also aktueller als allgemein wahrgenommen wird. Im bisherigen Wirken werden wir uns zusammen mit unseren Partnern und Oliviers in den bisherigen Zielen der Solidarischen Landwirtschaft treu bleiben. Dass wir es damit zu schnellen Erfolgen in der Abkehr von den Irrwegen schaffen, da bleiben wir skeptisch und realistisch. Es bleibt ein zähes Ringen, für das noch viele Mitstreite/innen benötigt werden.

Conrad Bölicke

5 Gedanken zu „Olivenölbetrug, Vogelsterben und das Vorhaben von Aldi“

  1. Danke für den Artikel. Es hat mir die Augen geöffnet, noch mehr auf Regionalität zu achten, auf Erzeuger, die ich kenne
    C. Gröger

  2. Alle regen sich über Aldi auf. Kein Wort über die massenhaft vertriebenen „Bioprodukte“ aus China. Sie werden unter anderem auch von deutschen Bioherstellern- verteibern verbrämt als Produkte aus Nicht EUlandwirtschaft vertrieben.

    1. Dies ist ein Grund mehr, nur auf Erzeuger-Abfüllungen zu vertrauen. Zudem sind alle unsere Olivenöle durch ein Prüfinstitut auf Schad- und andere Inhaltsstoffe getestet.

  3. Vielen Dank für den informativen Bericht. Ich würde es begrüßen, wenn sie zu den von Ihnen angebotenen Olivenöle einen Hinweis zum Ernteverfahren einfügen würden. Diese zusätzliche Information dürfte die ohnehin gute Produkt-Transparenz Ihrer Olivenöle erhöhen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Helmut Schütt

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