
Ein Standard mit verlässlichen und notwendigen Informationen
Als wir vor 28 Jahren mit der Olivenölkampagne antraten, um dem weit verbreiteten Betrug am Olivenöl etwas entgegenzusetzen, bestand dieser Betrug weitgehend aus dem Verschnitt von Oliven- mit Samenölen. Wir beschäftigten uns also mit der Reinheit des Olivenöls. Erst mit der wissenschaftlichen Durchdringung der biologischen Funktionen der Olivenfrucht und der biochemischen Prozesse in ihren Fruchtzellen wurde uns klar, dass wir es eher mit einem Fruchtsaft als mit einem Öl zu tun hatten. So sahen wir ein, dass es die eigentliche Aufgabe sein müsste, die in diesem Fruchtsaft enthaltenen natürlichen Schätze der Aromen und bioaktiven sekundären Pflanzenstoffe zu heben, die in Samenölen nicht vorkommen. Olivenöl wollten wir fortan aus der Fettecke holen und es zu einem Qualitätsprodukt wie Wein neu erfinden und so mit der Bildung eines neuen Marktes dem Betrug etwas entgegensetzen.
Olivenöl für einen solchen neuen Markt neu zu erfinden, ist uns gelungen. Wie bei guten Weinen können unsere Olivenölpartner*innen, die wir in Analogie zu Winzern als Oliviers/Olivières bezeichnen, heute diese Schätze mit neuem Denken, Wissen und veränderten Produktionsverfahren heben und wie beim Wein als Terroir-Olivenöle geschmacklich zur Geltung bringen. Mit der Herausbildung eines eigenen Olivenölpasses für jedes Olivenöl wollen wir einen Standard etablieren, der die Qualität der Produkte transparent und überprüfbar macht und Konsument*innen einen Zugang zum Fachwissen für eine eigene Beurteilungsfähigkeit eröffnet. Erst wenige in der Branche folgen uns mit dem nötigen Umfang der Olivenölpässe. Das liegt sicher an den hohen Kosten der sensorischen und chemischen Analysen, aber auch an der dann unverrückbaren Klarheit über die wirkliche Qualität des Produkts. Mit den steigenden Preisen für Olivenöl werden in Zukunft mehr Konsument*innen genaueres über die Olivenöle wissen wollen. Die alleinige Auszeichnung als Natives Olivenöl Extra, als angeblich höchste Güteklasse, wird ihnen dann nicht mehr ausreichen. Vielleicht wir der Olivenölpass unser bisher wirksamstes Mittel gegen den Olivenölbetrug und die Erweiterung des Wissens über Qualität.

Erläuterungen
Terroir:
Terroir-Olivenöle setzen sich als individuelle Erzeugnisse von Massenprodukten ab und müssen daher Informationen über die Olivensorte, den Boden, das Klima, die Lage der Olivenbäume und über die Individualität des Oliviers ausweisen.
Peroxidzahl:
Früchte und naturbelassene Fruchtsäfte unterliegen einer natürlichen Reifung bzw. Alterung, die sich biochemisch als Oxidation darstellt. Die dabei entstehende Zahl der Peroxide ist ein Gradmesser für die Frische oder bereits eingetretene Reife des Olivenöls. Gut und frisch erzeugte Olivenöle weisen Peroxidwerte von unter 6 meg/ O2 auf.
Pyropheophytin A:
ist ein Abbauprodukt des Chlorophylls, das bei frisch produzierten Olivenölen entsteht, wenn zu reife Früchte geerntet werden, wenn Mängel bei der Lagerung der Oliven und im Mühlenprozess erfolgen und das Öl gar nicht oder zu spät gefiltert wird. Ein sehr gutes, frisches Olivenöl sollte noch über 90 % an Chlorophyll verfügen.
Freie Fettsäuren:
sind Abbauprodukte der »gesunden« Fettsäuren. Gesetzlich werden sie bestimmt mit der Säurezahl. Für Native Olivenöle Extra darf ihr Anteil den Wert von 0,8% nicht überschreiten. Gute Olivenöle bleiben unter einem Wert von 0,35%.
Fettsäureethylester:
entstehen mittels Gärung durch Hefen in Oliven bei unsachgemäßer Ernte und Lagerung vor der Verarbeitung in der Mühle. Anders als beim Wein führen sie im Olivenöl zu geschmacklichen Fehlern, die sich durch chemische Nachbehandlung nicht eliminieren lassen. Sehr geringe Werte sind ein guter Marker für die erreichte Qualität.
Diacylglyceride:
geben Auskunft über die unversehrte, natürliche molekulare Struktur des Olivenöls. Sehr gute Olivenöle weisen über 90% ihrer natürlichen 1,2 Dicylglyceride auf. Ihr Gehalt sinkt während der Lagerung durch Umbau, ist also ein Indikator für die Frische eines Olivenöls. Ist die Struktur des Olivenöls einmal geschädigt, lässt sie sich durch chemische Nachbehandlungen nicht wieder korrigieren.
Polyphenolgehalt:
Weil sie eine Stoffgruppe darstellen, werden sie heute auch als Biophenole bezeichnet. Als Antioxidantien wirken sie der Reifung entgegen und stabilisieren die Haltbarkeit des Olivenöls, und es kommt ihnen auch eine gesundheitsfördernde Bedeutung zu. Der Polyphenolgehalt ist sortenabhängig und keine Standardgröße für alle Olivenöle.
Mit dem Fortschritt bilden sich auch Fälscher weiter
Durch chemische Verfahren lassen sich die Peroxidzahl und der Anteil freier Fettsäuren „korrigieren“ und durch Zugabe von Fremdchlorophyll oder Biophenolen manipulieren. Daher haben diese Angaben nur im Zusammenhang mit den Aussagen zu den Fettsäureethylestern und der Isomeren Diacylglyceride eine Aussagekraft, da diese nicht manipulierbar sind und damit eine Aussage über den echten Zustand des Olivenöls ermöglichen.