
Ein Blick hinter die Kulissen in Katalonien
von Jakob Steffens

An einem sonnigen Septembertag hatte ich das Privileg, Adrian Ardac in Ríudoms (u.a. unser Olivenöl No.11) zu besuchen und einen Einblick in die Vorbereitungen der Ernte zu erhalten. Unsere Reise führte uns ins Priorat, wo er begutachten wollte, wie weit die Oliven bereits gereift sind.
Während der Autofahrt bemerkte Adrian mit einem leichten Schmunzeln, dass ich etwas spät dran sei. Dann erklärte er weiter: „Die Vorbereitung für die Ernte beginnt eigentlich direkt nach der letzten, und zwar mit einer umfassenden Analyse, bei der jede einzelne Entscheidung unter die Lupe genommen wird. Welche Maßnahmen haben funktioniert, und wo besteht Raum für Verbesserungen? Wo muss die Kommunikation besser werden? Dieser kritische Blick legt die Grundlage für die kommende Ernte.“
Anfang des Jahres beginnt dann die Pflege der Bäume. Diese legt den Grundstein und lässt sich im Nachhinein und auf Jahre nur schwer wieder korrigieren. Denn der richtige Schnitt der Bäume sorgt dafür, dass auch in Zukunft genügend hochwertige Oliven an den zweijährigen Trieben wachsen.
Als wir aus dem Auto stiegen, wartete bereits Luis. Es gab einen herzlichen und warmen Empfang. Die beiden kennen sich schon lange, und es herrscht ein reger Austausch. Adrian ist sichtlich interessiert und wissbegierig an Luis‘ Einschätzungen und Überlegungen. Die regelmäßige Kommunikation ist unverzichtbar, um den Zustand der Bäume zu überwachen. Schädlinge oder Wassermangel müssen frühzeitig erkannt und angegangen werden. Adrian behält stets das große Ganze im Blick, um später ein erstklassiges Olivenöl gewinnen zu können.
Während wir durch die Olivenhaine schlenderten, wirkte Adrian sichtlich zufrieden. Trotz eines trockenen Jahres hatte die jüngste Regenperiode die Oliven wachsen lassen. Es wird wahrscheinlich keine gute Ernte, aber voraussichtlich ertragreicher als vor einigen Wochen noch befürchtet. Seine persönlichen Besuche bei den Olivenbauern und die regelmäßigen Baum-Fotos und -Videos, die sie ihm schicken, ermöglichen es Adrian, den Reifegrad der Früchte präzise zu verfolgen. Er weiß auch genau, wen er etwas enger führen muss und wo ein oder zwei monatliche Anrufe ausreichen. Der nächste Termin mit Luis wird in zwei Wochen stattfinden, danach folgen die Begehungen in kürzeren Abständen.


Am nächsten Tag saßen wir in Adrians Büro, wo er seine Notizen zum Reifestand und zur Erntemenge in einen detaillierten Ernteplan übertrug. Ich schaute ihm über die Schulter und staunte über seine akribische Planung. Dort hielt er auch fest, welcher Olivenbauer welche Menge Oliven an welchem Tag liefern würde. Diese Planung ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Oliven nicht zu lange am Baum reifen und gleichzeitig die Mühle nicht überlastet wird. Darin wurde auch festgehalten, wer welche Erntemethode anwenden würde und mit welchem Transportmittel die Oliven zur Mühle gelangen sollten. Diese Rückverfolgbarkeit ist wichtig, denn sonst lässt sich im Nachhinein nicht feststellen, wie gegebenenfalls Fremdstoffe in das Olivenöl gelangt sein könnten.
Als wir am Nachmittag zur Mühle fuhren, war es drückend schwül. Es gab unglaublich viele Mücken, die sich sichtlich über unsere Ankunft freuten. Überall herrschte geschäftiges Treiben, und letzte Vorkehrungen wurden getroffen. Die Maschinen wurden bis zur letzten Schraube sorgfältig gereinigt. Im nächsten Schritt werden alle Maschinen gewartet, denn das Zeitfenster für die Ernte ist kurz, und wenn die Oliven nicht innerhalb kürzester Zeit nach der Ernte verarbeitet werden, wirkt sich das unmittelbar auf die Qualität des Olivenöls aus. Genauigkeit ist also gefragt – die Maschinen müssen einwandfrei funktionieren.

Plötzlich klingelte das Telefon. Wie Adrian mir wenig später auf der Fahrt erzählte, hatte ein neuer Olivenbauer Bedenken. Das ist nichts Neues für Adrian, er wirkte sichtlich gelassen. Jedes Jahr hat er Kapazitäten, um bis zu zwei neue Olivenbauern in den Prozess zu integrieren. Es erfordert Geduld, da die Neuen zunächst einmal die Philosophie der Qualitätsproduktion verstehen und verinnerlichen müssen. Dabei gibt es häufig Rückschläge. Adrians Passion für Qualität und sein beharrlicher Einsatz für die Olivenbauern sind spürbar. Als wir bei Hector ankamen, bemerkte ich, wie Adrian sehr sachlich mit ihm kommunizierte. Dabei wählte er positive und motivierende Worte, um ihm seine Ängste und Befürchtungen zu nehmen und ihn gleichermaßen davon zu überzeugen, sich auf diese Reise zu einem erstklassigen Olivenöl zu begeben.
Meine kurze Reise nach Katalonien gewährte mir nur einen kleinen Einblick in die Arbeit eines Oliviers. Mit dem Primario werden wir sehen, ob die sorgfältige Planung und Kommunikation Früchte tragen und ob die Absprachen von beiden Seiten eingehalten werden.
