
Auf der Rückfahrt mit Dimitrios
Ein Besuch bei seiner Familie und in seinem Dorf

Diese Zeit wollte ich mir auf der Rückfahrt vom Seminar zum Flughafen von Athen unbedingt nehmen: mit einem Zwischenstopp das kleine Dorf Klenia in der Region Korinth kennenzulernen, dort, wo die Heimat von Dimitrios und seiner Familie ist. Jakob war schon öfter hier, und ich kenne Dimitrios ebenfalls seit langer Zeit von seinen Teilnahmen an den Olivenöl-Abholtagen und den jährlichen Weiterbildungstreffen. Bis nach Klenia hatte ich es aber noch nicht geschafft, und ich war gespannt.
In Klenia angekommen, wurde Dimitrios sogleich von seinen vier Kindern freudig bestürmt und in Beschlag genommen. Währenddessen begrüßten uns herzlich die beiden Marias, Dimitrios‘ Ehefrau und seine Mutter, und luden uns zum Kaffee ein. Es war eine schöne, aber viel zu kurze Zeit, die wir in einer herzerwärmenden Atmosphäre mit der Familie verbringen konnten. Die vier lebhaften Kinder legten schon bald ihre anfängliche Scheu ab und wurden immer neugieriger. Der älteste Sohn zeigte uns dann sein neues Können und sprach ein paar Worte auf Deutsch. Bei Sophia, unserer Dolmetscherin, die uns im Seminar begleitet hatte und in Korinth wohnt, nimmt die ganze Familie seit einiger Zeit Deutschunterricht.
Gern wollte ich dann noch in das landwirtschaftliche Leben von Dimitrios und seine Welt der Oliven eintauchen. Dimitrios ist mehr als nur ein Olivenbauer; unter anderem hat er auch einen Aprikosenhain. Zu ihm fuhren wir als Erstes, aber es hingen keine Früchte mehr an den Bäumen – sie waren bereits in Gläsern auf dem Weg zu uns nach Wilstedt, gefüllt mit köstlich-fruchtiger Aprikosenkonfitüre, an deren Produktion einmal im Jahr die ganze Familie mitarbeitet.
Im Unterschied zu den Aprikosen, bei denen das Wetter zur Blütezeit und während der Fruchtansätze noch gut war, hatten die früh einsetzenden hohen Temperaturen mit langer anhaltender Trockenheit viele Olivenblüten vertrocknen lassen. Lediglich die wenigen Olivenhaine, die Dimitrios bewässern kann, trugen Oliven. So sahen wir prächtige und stattliche, über mehrere Generationen gewachsene Olivenbäume ohne Früchte und wenige andere, die gut mit Oliven behangen waren. Noch waren sie klein, und Dimitrios wartete sehnlichst auf Regen im Oktober, damit sie noch wachsen und sich „füllen können“, wie er es nennt. Ohne Wasser kann die Olive in ihren Fruchtzellen mit der Fotosynthese keinen Zucker aufbauen, der sich dann in einfach ungesättigte Fettsäuren umwandelt, die das Olivenöl bilden. Für achtzig Prozent seiner Bäume kommt der Regen jedoch zu spät; aus vertrockneten Blüten bilden sich keine Oliven mehr.





Auch seine Pistazienbäume konnten vor der einsetzenden Hitzewelle Blüten und Fruchtansätze ausbilden. Wie bei den Aprikosen haben sie eine durchschnittlich gute Ernte ergeben. Gern helfen wir Dimitrios und seiner Familie und bieten jetzt auch seine Pistazien in einer 500-g-Packung an, die er auf griechische Art selbst mit etwas Salz und Zitronensäure röstet.
Einfach war das Leben hier in den Bergen und der Ebene hinter der alten Burg von Korinth wohl nie – immer verbunden mit einem hohen Grad der Selbstversorgung und dem Zusammenhalt der Familie. Dimitrios ist es daher gewohnt, bei Schwierigkeiten mutig zu sein und nach vorn zu blicken. Mehr als andere im Dorf wagt er dann Neues und packt es beherzt an. Inspiriert von seinem ersten Besuch im Frühsommer mit Conrad bei dem Projekt von Johannes Eisenbach legte er neben seiner Olivenmühle, dort, wo er den Boden auch bewässern kann, ein erstes Gemüsefeld mit Zucchini zwischen den Olivenbäumen an. Mit seiner ökologischen Bio-Anbauweise fand er jedoch noch keinen Weg, einen Schädlingsbefall wirksam in Schach zu halten, sodass es zunächst ein Experiment blieb und noch keinen wirtschaftlichen Nutzen erbrachte.
Auch in seiner modernen Olivenmühle, die er durch die Unterstützung vieler arteFakt-Freunde bekommen konnte, ist Dimitrios immer auf der Suche, noch etwas besser zu machen. Aktuell plant er eine technische Ergänzung, die ihm automatisierte Prozesse im Produktionsablauf ermöglichen könnte. Für uns ist das ein mutmachendes Zeichen, dass er bei all den Widrigkeiten des Klimawandels, die seine Existenz bedrohen, nicht aufgeben möchte. Wir werden ihn unterstützen und ihn mit Graciano Decimi in Umbrien zusammenbringen, der in seiner baugleichen Olivenmühle entsprechende Automatisierungen bereits in der Praxis erprobt hat.


Mit dem Eintauchen in die Welt der Oliven von und bei Dimitrios wurden die Herausforderungen des ökologischen Anbaus in der Region rund um Korinth mehr als deutlich. Die Wasserknappheit und die langanhaltende Trockenheit stellen große Hürden dar. Im dritten Jahr in Folge wird Dimitrios große Einbußen bei seiner autochthonen Manaki-Olive haben, die dem Klimawandel wenig entgegensetzen kann. Nach dem Totalausfall des letzten Jahres wird es jetzt wohl nur für das Angebot des „Primario“, dem ungefilterten Olivenöl der ersten Erntetage, reichen, nicht aber für das Olivenöl No.23. Etwas widerstandsfähiger zeigten sich die Sorten Koroneiki und Ladoelies, deren Oliven etwas besser durch die Hitze und Trockenheit gekommen sind. Dimitrios haben wir ermutigt, erste Versuche eines Blends aus diesen Sorten und der Manaki zu kreieren, und mit Christoph Sippel, unserem Olivenöl-Sensorikspezialisten, werden wir ihm dabei zur Seite stehen. Sie als arteFakt-Freunde und erfahrene Olivenölgenießer*innen können ihn mit ihrem Urteil unterstützen. Mehr als kleinere Testchargen werden es aufgrund der geringen Erntemengen jedoch nicht werden, und auch seinen wirtschaftlichen Verlust werden sie nicht ausgleichen können.
Dimitrios und seine Familie sind uns über die Jahre der Zusammenarbeit ans Herz gewachsen, und so verabschieden wir uns und verlassen Klenia mit dem starken Gefühl, sie nicht verlieren zu wollen. Ihr Bemühen, sich ihren Mut und ihre Lebensfreude in der aktuellen Klimakrise mit ihren schweren wirtschaftlichen Auswirkungen zu bewahren und dabei auch Neues zu wagen, war für mich beeindruckend. Dimitrios ist der erste Olivenbauer, den der Klimawandel in die Knie zu zwingen droht. Das wird auch uns als Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft und Genossenschaft auf neue Weise herausfordern, da Krisen nicht nur materielle, sondern auch emotionale und mentale Herausforderungen auf beiden Seiten mit sich bringen. Ich verabschiede mich mit Zuversicht, aber auch mit dem Gefühl, noch nicht zu wissen, wie das alles schnell zu meistern ist. Ich drücke ihm die Daumen, dass bald der Regen wieder einsetzt, und erfahre dann später, dass er jetzt Anfang September gekommen war – allerdings in Form eines Unwetters mit Hagel, der viele Oliven auf den Boden fallen ließ.






